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Ähnlich wie heute Computer und
das Internet die Medienlandschaft revolutionieren,
boomte vor 500 Jahren – zu Nostradmus Zeiten –
das gerade neu entstehende Druckereigewerbe.
Misstrauische und stockkonservative Menschen malten
ihre Büchlein in wochen- oder monatelanger Arbeit
zwar immer noch selbst, aber e
s gab jetzt auch die ersten
Druckplatten, die es nun ermöglichten, gleich mehrere
Exemplare eines Buches an nur einem einzigen
MultiMedia anno 1550
Tag zu drucken. Das war mehr als nur revolutionierend, denn nun wurde es erstmals möglich, seine Werke einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Dass die Landesfürsten darin eine drohende Gefahr sahen, versteht sich beinahe
von selbst. Und so wurde denn auch rasch ein Gesetzt erlassen, das jedes
neue Buchwerk genehmigungspflichtig machte – Mulimedia mit kleinen Macken!
Huldigungen ohne Ende...
Da man in jenen Zeiten rasch den todbringenden  Ruf  ei-
nes "Ketzers" erhielt,  war es insbesondere bei 'pikanten'
Büchern enorm wichtig,  sich durch Huldigungsschreiben
der Gunst von Kirchenvätern und weltlichen Regenten zu
versichern. Das trieb zuweilen solche Blüten, dass selbst
die in den  Vorworten  so  überschwenglich  Gehuldigten
nicht mehr glaubten,  was  da  über sie geschrieben wur-
de.  
Damit  wurde aber all jenen Fürsten  und  Beamten,  die
das Werk zu genehmigen hatten, praktisch jede Möglich-
keit genommen, an den lauteren Absichten der Verfasser
Zweifel anzumelden. Deren Genehmigungen – teilweise
mit  Kommentaren  zum 'allerchristlichsten'  Werk  verse-
hen  –  zierten als Deckblätter  jedes gedruckte Buch aus
jener Epoche.
Nostradamus kann mit Gewissheit als Meister von demut-
ergebenen Huldigungsschreiben angesehen werden, wo-
bei als Beispiel  hier  der Hinweis auf seinen
Brief an Henri II, König von Frankreich (Titel-
blatt, rechts) genügen soll.
Brief an Henri II lesen...
Kleine Abbildung: Die letzten Sätze der
Druckerlaubnis für die 1. Centurien-Ausgabe, 1555.
Die Erstausgabe und ihr redigierter Nachfolger...

Titelblatt der Erstausgabe, 1555, gedruckt bei Chés
Macé Bonhomme, Lyon.


Die Erstausgabe enthielt drei komplette Centurien mit
je 100 Vierzeilern, sowie die 4. Centurie mit 53 Vierzei-
lern und den Brief an den damals 2jährigen Sohn des
Sehers, Cäsar. Genehmigt wurde die Ausgabe am "letz-
ten Tag des Monats April, 1555 durch den "Königlichen
Rat von Lyon, Hugues de Puis, Seigneur de la Mothe."


Die lange Zeit verschollenen und heute wiederentdeck-
ten Erstausgaben aus den Bibliotheken von d'Albi und
Wien sind überraschenderweise nur scheinbar iden-
tisch. Einige Korrekturen in der Wiener Ausgabe, be-
legen, dass nach dem Erscheinen der ersten Ausgabe
(Exemplar, Bibliothek d'Albi) Nostradamus das Werk
mit eigener Hand korrigierte und danach eine neue
Auflage gedruckt wurde (Exemplar, Biblithek Wien).

Vive la différence – es lebe der kleine Unterschied...!

Markant und erstaunlich zugleich: Im Brief an Sohn Cäsar hat Nostradamus nicht nur kor-
rigiert, sondern komplette Sätze verändert, die dann in späteren Nachdrucken auch nie
wieder auftauchten! Zahlreiche Passagen (Französisch) wurden erst in der korrigierten
Fassung durch lateinische Bibelsprüche ersetzt, wie z.B. "Ceux-lŕ seuls qui sont inspirés
par la Divinité peuvent prédire les faits particuliers avec un génie prophétique."
 

In Deutsch: "Allein jenes, was durch die Göttlichkeit inspiriert wird, kann die besonderen
Tatsachen durch sein Genie prophetisch vorhersagen."
Der französische Text wurde hier
ausgetauscht gegen: "Soli numine divino afflari praesagiunt et spiritu prophetico particu-
laria".
(Deutsch: "Nur die vom göttlichen Hauch Inspirierten können weissagen, und der
prophetische Geist insbesondere. "
 Im Prinzip also die gleiche Aussage, doch der fran-
zösische Text wurde ins Latein verwandelt und bekam dadurch eine andere sprachliche
Note und Ausdrucks-Nuance.  

Das gleiche machte er hier, wo wir bisher nur diese lateinische Floskel kannten:
"Nolite sanctum dare canibus nec mittatis margaritas ante porcos non conculcęt pedibus
et côuersi dirumpant vos."
(Wirf das Heilige nicht den Hunden vor, und werfe die Perlen
nicht vor die Säue, damit sie sie nicht mit ihren Füßen zertreten & sich umwenden, Euch
zu zerreißen.")


In der ersten Ur-Ausgabe finden wir aber auch dies in Französisch: "Ne donnez pas les
choses saintes aux chiens et ne jetez pas les perles aux pourceaux, de peur qu'ils ne les
foulent aux pieds et que, se tournant contre vous, ils ne vous déchirent".
("Wirf die heili-
gen Dinge nicht den Hunden vor und keine Perlen vor die Säue, damit sie es nicht
mit den Füßen zertrampeln und sich abwenden und Euch zerreißen.")

Alle lateinischen Sätze wurden erst nachträglich in der korrigierten Fassung aufgenom-
men! So gesehen stellt die frühe Ausgabe aus dem gleichen Erscheinungsjahr aus der
Bibliothek d'Albi eine ganz besondere Kostbarkeit dar. Denn durch Sie können wir heu-
te erkennen, welche Änderungen für Nostradamus von großer Wichtigkeit waren.

Für nicht unbedeutend halte ich auch die Feststellung, dass einige an sich nicht mar-
kante Schreibfehler korrigiert wurden (z.B. iugement gegen iugemeut ) andere, ins Au-
ge springende Fehler wurden aber beibehalten. (!)

In den Centurien selbst findet man nur kleinere Korrekturen, z.B.:

Vers 01/06: failliront – falliront,
Vers 01/84: plaie – playe,
Vers 01/85: Ambadassadeurs – Ambassadeurs;   deus – deux;   haine – haisne
etc.

Alle Jahre wieder – die Nostradamus-Prophezeiungen!

Im Jahr 1557 wechselt
Nostradamus seinen
Drucker. Die neue Aus-
gabe wird nun ergänzt
bis zur 7. Centurie, die
mit Vers 42 endet und
dort auch mit einem Ab-
schlussvermerk verse-
hen ist.
Die erste Fassung von
Antoine du Rosne er-
scheint am 6. Septem-
ber 1557 (links), die korrigierte Fassung (rechts) im November des glechen Jahres.

Meines Wissens ist bis heute keine Ausgabe aufgetaucht die  v o r  dem Turnierunfall Heinrich des Zweiten (Henri II bzw. Henri Seconde) das Schreiben an Henri II enthielt.
In den heute noch zur Verfügung stehenden Quellen taucht dieses Schreiben
erst lange nach dessen Tod auf.
Die ersten Fälschungen...

Dieses Medizinbuch, "Die Paraphrase von Gallien",
Antoine du Rosne, Lyon 1557 – eine vom Latein ins
Französisch übersetze Nostradamus-Ausgabe – wird
heute als eine rückdatierte Fälschung betrachtet, die
erst nach dem Tod des Sehers erschienen sein soll.

Mit Nostradamus – inzwischen ein Promi seiner
Zeit
– ließ sich auch damals schon Geld verdienen. Die
ersten Buchfälschungen tauchten auf...

So verdiente sich auch der ehemalige Vertraute und
Sekretär des Sehers, Chagigny, nach dessen Tod ei-
ne goldene Nase mit Prophezeiungen, die angeblich
aus dem Nachlass des Sehers stammen sollten. Ob
dies tatsächlich der Fall war, ist heute nicht mehr
nachprüfbar, wurde jedoch oft angezzweifelt...





Wird demnächst fortgesetzt