Am 8. Mai 1945 kapitulierte das in Schutt und Asche gebombte Großdeutsche Reich und mit den alliierten Befreiern ging auch die Herrschaft der nationalsozialistischen Diktatur zu Ende. Die Expansionsträume Adolf Hitlers und seiner Schergen, die die gesamte Welt in den größten und blutigsten Krieg aller Zeiten gestürzt hatten, fanden in den Ruinen Berlins endlich ein Ende.
Heute nun, am 60. Jahrestag der "Befreiung", züngelt erneut in Deutschland die Frage von "Mitschuld" und "Verantwortung" durch alle Gesellschaftsschichten. So stellte z.B. Udo Bauer, Deutsche Welle-TV-Moderator des Magazins "Politik-direkt", die Frage, ob 'die heutige Generation für die Naziverbrechen "verantwortlich" sei'. – Seltsame Frage, oder...? Können (geborene oder noch ungeborene) Kinder für die Verbrechen ihrer Väter oder Großväter "verantwortlich" sein...? Logisch, nüchtern und rechtlich betrachtet kann das Kind eines Massenmörders nicht zur Verantwortung gezogen werden. Nicht einmal eine moralische Mitschuld kann man ihm vorwerfen.
Aber wie steht es mit der moralischen Verantwortung...?
Hier scheiden sich die Geister. Ich selbst weiß nicht, ob es sinnvoll ist, den Kindern eines Massenmörders, stets die Verbrechen ihres Vaters unter die Nase zu reiben. All jene, die von diesen Morden in irgendeiner Form betroffen waren, verstehe ich aber auch. Sie wollen, können und sollten nicht den Mantel des Vergessens über die schrecklichen Ereignisse ausbreiten. Aber ist dieses ewige "die Erinnerung wachhalten" tatsächlich richtig? Was sollte das Miteinander der Menschen und Völker bestimmen? Emotionen oder vielleicht doch besser die Vernunft?
Wer den Völkermord und die Vernichtung von Millionen Menschen heute und nach alledem, was damals geschah, gutheißt, den sollte man eigentlich auf seinen Geistes-zustand hin zwangsuntersuchen lassen und dann – falls der IQ über 80 liegt – mit saftigen Strafen zur Vernunft bringen. Es ist geschehen, und was geschah, ist an Grausamkeit kaum mehr zu überbieten.
Doch Mitschuld der heutigen Generation?
Viel zu wenig, beinahe nie, liest oder hört man, dass Deutschland von einer Diktatur beherrscht wurde, die bis in die kleinsten Winkel jeder Gasse hinein ihre Zubringer und Spitzel hatte. Eigentlich bedauert man stets jene Menschen, die unterdrückt in einer Diktatur leben müssen. Argentien, Kuba, Paraguay, Chile, ja selbst die frühere DDR – das Volk litt unter der Diktatur, wo bereits Flüsterparolen oder öffentlich gezeigter Unmut harte Strafen – in einigen Diktaturen auch die Todesstrafe – nach sich zogen. Das war in Hitler-Deutschland nicht anders, vielleicht sogar noch schlimmer. Neben einer Propa-gandamaschinerie, die ihrer Zeit in Sachen Gehirnwäsche weit voraus war, baute das System nicht nur auf die Angst der Menschen auf, sondern war bis in die letzte Phase seines Wirkens hinein mörderisch ausgefeilt und perfektioniert worden. Die, die sich dagegen auflehnten (und die gab es, eben weil unsere Väter in einer alles beherrschenden Diktatur lebten) wurden, aus unserer Sicht, zu Helden.
Es gab sie also, die Helden, die Unterdrückten, die Ängstlichen, die Mörder, die Orga-nisatoren und die Mitläufer. Und die "Befreier". Wovon haben uns die Alliierten befreit, wenn nicht von einer übermächtigen Diktatur? Arme Argentinier, arme Kubaner, arme Chilenen – aber böse Deutsche, die eine Kollektivschuld tragen? Angst und Denunziantentum sind die Fundamente einer jeden Diktatur. Trage ich tatsächlich eine moralische Verpflichtung für das, was vor meiner Geburt geschah? Für Menschen, die in einer Terrordiktatur lebten und schon eingesperrt wurden, wenn sie der Musik in einem englischen Radiosender unter der Bettdecke lauschten?
Deutschland war ein Unrechtstaat, der aber auch dem eigenen Volk das Joch einer gnadenlos agierenden Diktatur aufgeknüppelt hat. Mit eiserner Faust. Trotzdem: die Opfer stehen immer im Vordergrund und wir alle dürfen sie nicht vergessen, damit so etwas nie wieder passiert!
Wir wurden befreit. Danke an die Alliierten...
|