Horapollo
Das Bewusstsein von Ewigkeit und Zeit
Geheimnisvolle Hieroglyphen
Mit dem kleinen Büchlein "Horapoll"
wurde der Mythos um den Seher Nostradamus
um einen weiteren Glorienschein bereichert.
Dass jedoch die alt-ägyptischen
Hieroglyphen
im Zusammenhang mit seinen Prophezeiungen
stehen, ist schlicht und ergreifen falsch.
Nostradamus hatte keinen
Schimmer von dem,
was er da niederschrieb aber damit befand
er sich
in erlesenster Gesellschaft.
Die
Vorgeschichte
Im
Jahe 1419 machte der Mönch Cristoforo
Buondelmonti auf der Insel Andros (Grie-
chenland) einen sensationellen Fund: Ein
kleines Schiftstück, das einige hundert Jah-
re lang die Welt der Wissenschaft und Ar-
chäologen in Atem halten sollte die so-
genannte Hieroglyphica, eine spätantike
Schrift die einem Horapollo (dem ägypti-
schen Gott Horus) gewidmet war.
Allgemein
nahm man lange Zeit an, Hor
Apollo sei der Name des Autors, von dem
man jedoch nicht den Namen kennt, son-
dern aus den Schriften nur zu entnehmen
ist, dass er ein Gelehrter und Dichter war,
in der Region von Panopolis lebte und
nach eigenen Angaben einige Jahre in
Alexandria und Konstantinopel gelebt
hatte (480 490 n. Chr.)
Als
dieses Werk entstand, war das Wissen über die Hieroglyphen längst
völlig
untergegangen. Horapollo war der Versuch, die beschränkte
Menge von et-
wa 185 Hieroglyphen zu deuten und der geheimnisvollen Symbolsprache
einen
Sinn zu geben. Hierbei sind die einzelnen Hieroglyphen als voneinander
abge-
trennte Bilder dargestellt und nicht als Elemente einer durchlaufenden
Schrift,
was dem kleinen Werk einen Lexica-Charakter verlieh. Pro Seite
wurde stets
nur ein Symbol abgebildet und mit prosaischen Interpretationen
in Versform
erklärt.
Der
Inhalt
Mittels
Horapollo schien es nun erstmalig möglich, die geheimnisvollen ägyptischen
Texte zumindest andeutungsweise zu in-
terpretieren.
Das
nachfolgend aufgeführte Beispiel. die
Deutung des Sybols der Kröte als Zeichen
des Erblühens und Aufstiegs einer Genera-
tion gibt uns gute Einblicke in das Buch:
"Den Embryo bezeichneten sie mit dem Bild einer Kröte: denn seine Generati-
on geht aus der Verfaulung der Erde hervor, d.h. aus dem Schlamm des Flus-
ses. Und so kann man manchmal eine halb vollständigen Kröte sehen: sie
ist
zur einen Hälfte Lebewesen und zur anderen eine bestimmte erdhafte
Sache.
In der Weise, dass ohne Fluß auch keine Kröte existiert..."
Das
Beispiel macht deutlich, was die mittel-
alterlichen Humanisten an dieser Interpreta-
tion der Hieroglyphen so faszinierte: Die
Doktrin von der imago dissimilis, vom
un-
ähnlichen Bild erscheint in der nun offen-
gelegten Geheimsprache der ägyptischen
Priester verwirklicht zu sein wie die Krö-
te, die als etwas Geheimnisvolles, aber für
'Eingeweihte Aufschlußreiches, durch et-
was völlig anderes symbolisiert wird.
Die
Hieroglyphen präsentierten sich nun al-
so erstmalig in einer philosophisch bedeut-
samen geheimen Bilderschrift, die keinen absoluten Zusammenhang
zum Tatsächli-
chen erkennen liess (z.B. das Emryo wird
als Kröte dargestellt), was die Fantasie des
Entschlüsselnden befügelt. Hier z.B. die Entstehung
des Seins aus den Elementen
Wasser und Erde (Kröte). Der Weg zu neu-
en Deutungen war damit vorgezeichnet...
Der
Werdegang
1419
entdeckt, erreichte das Werk Horapoll
1422 Florenz, war jedoch nur für ganz weni-
ge "Eingeweihte" einsehbar. Erst im Jahr
1505 wurde es von Aldus in Venedig als ei-
nes der ersten Emblembücher gedruckt
immer noch ein Geheimtipp unter den Ge-
lehrten und Mystikern dieser Epoche.
Es erschien zunächst in lateinischer u. grie-
chischer Sprache, wobei auch Nostradamus
an mindestens zwei Augaben zwischen 1530
und 1542 als Mitherausgeber beteiligt war
(Kerver, Paris und Gryphius, Lyon).
Die
eigentliche Nostradamus-Ausgabe des
Horapoll begründet ihren Ruf und Erfolg da-
rauf, dass Nostradamus das Buch basie-
rend auf der lateinisch-griechischen Version
von Jean Mercier aus dem Jahr 1551
nun
ins Französische übersetzte, womit Horapoll
nun auch dem 'einfachen', nicht Latein spre-
chenden Volk zugänglich gemacht wurde.
Er beherrschte die lateinische Sprache per-
fekt und so stellte die Übersetzung des Wer-
kes kein Problem für ihn dar. Er widmete es
der Prinzessin von Navarra
Nostradamus kommentierte das Buch nicht mit eigenen Worten. Dies tat er je-
doch ausführlich im an die Prinzessin von Navarra gerichteten Vorwort,
wo er
sich auf seine bewährt düstere Sprache reduzierte, die auch hier den
Anschein
erweckte, er sehe hinter jedes geheime Symbol, wenn auch ein einfacher Ver-
stand sich damit zuweilen schwertun könne. So zitiert er Horapollo auch
mehr-
fach in seinen Sixtains (Predictions), ergeht sich aber auch hier nur in geheim-
nisvollen Andeutungen.
Der
Erfolg
Der
Siegeszug des Horapoll endete mit dem
Fund des Steines von Rosetta (1798), der von
Jean-François Champollion 1822 entschlüs-
selt werden konnte und es nun erstmalig ge-
stattete, die altägyptischen Hieroglyphen zu
lesen und zu verstehen.
Dass dieses 'Lexikon' also als Jahrhundert-Fund seinen
Weg nahm (und auch in den
Studierzimmern angesehener Ägyptologen
aus den späteren Jahrhunderten lag) nicht
mehr wegzudenken war, erscheint logisch.
Bis ins 19. Jahrhundert hinein erschien Ho-
rapoll in nahezu allen bekannten Sprachen
auch in Deutsch...
Horapoll deutet 182 Hieroglyphen so, wie der einstige Urheber im 5. Jahrhund.
wohl aus dem überlieferten Volksglauben seiner Zeit heraus
vermutet hatte, was sie bedeuten könnten. Oder er schloss, allein
die Symbole aus seiner Sicht
interpretierend, was wohl diese Zeichen in jener Zeit bedeutet haben
könnten. Dennoch ist jede dieser alten Ausgaben (wenn auch ein Kuriosum) heute eine
bibliophile, oft kostbare Rarität. Wissenschaftlichen Sinn besitzt
sie nicht, auch
wenn sie einige Jahrhunderte lang das Denken um die ägyptische Kultur prägte.
Die
kalte Dusche
Das
Buch wurde rasch zum Geheim-Hit von
Bruderschaften, Gelehrten und Geheimwis-
senschaftlern. Die Symbolik und die prosai-
schen Texte und Umschreibungen ließen ei-
breites Deutungsspektrum zu und mit etwas
Scharfsinn ließen sich damit sogar echte
Hieroglyphentexte, zwar nur in Teilen und
bruchstückehaft, deuten.
Sehr
rasch zeigte sich jetzt, dass der Autor
des Horapoll weder auf mündliche Überlie-
ferungen, noch auf andere Quellen zurück-
gegriffen hatte, sondern ausschließlich ei-
genes Gedankengut in prosaischer Form
den Symbolen hinzugefügt hatte.
Das
Symbol der Schlange:
"Die Schlange, wenn sie uns, ganz gleich wo, berührt, oder wenn sie sich
von
der Eiche herablässt stark, obwohl der Nachtwind in den Asche-Bäumen
pfeift. Eine Schlange, einmal oben, gepackt vom Storch in der Höhe, und
fal-
lend, bis der Würfel sich nicht mehr dreht. Und wenn die allgemeine Viper ein-
mal vom Stock geschlagen wird und erkennt, daß sie durch ihn beherrscht, so
gewinnt sie dann ihre vollkommene Stärke zurück..."